Brote, Lagunen, Chicha und Meerschweinchen

 

„Trink hier von dem Schnaps – sonst erwacht das Meerschweinchen in deinem Magen morgen wieder zu neuem Leben“. Unsere kleine Ausflugsgruppe lacht ueber die Worte von Flavio und ich nippe etwas an dem Anis-Alkohol. Erst den naechsten Tag werde ich verstehen, dass das wohl nicht nur ein Witz war.

Aber von vorne: Vor ein paar Woches stand fuer mich und einige Spanisch-Lernerinnen das erste Mal „excursión“ auf dem acuparischen Stundenplan. Einmal fuer ein paar Stunden raus aus dem cusqueñischen, wuseligen Stadtleben. Dafuer muss man nicht lange fahren. Der erste Stopp unserer Reisegruppe – bestehend aus vier Spanisch-Schuelerinnen, mir und unserem Cusco-Experten Flavio – ist nach einem kurzen Zwischenhalt in Tipón (bekannt fuer seine Inka-Staette und Meerschweinchen-Restaurants) die Brot-Hauptstadt Oropesa. In der kleinen, beschaulichen Stadt werden tagtaeglich Unmengen an dem in ganz Peru beliebtem „Chuta“-Brot in den traditionellen Oefen von mehr als 60 artesanalen Baeckereien gebacken. Chuta ist vor allem fuer seine Groesse und einzigartigen Geschmack bekannt. Vielleicht liegt es am Klima, dem Wasser oder der von Generation zu Generation weitergegebenen Handwerkskunst, vielleicht an einer Mischung aus allem – fest steht: Nur das Chuta-Brot aus Oropesa ist „echtes“, gutes Chuta-Brot. Deshalb wird es von dort exportiert. Sogar bis in die USA – erzaehlt uns Flavio. Leider haben wir Pech und als wir den tuerkisfarbenen Innenhof einer Baeckerei betreten, ist das Feuer schon aus, alle Brote fuer den Tag gebacken. Das Brot mit dem Herz in der Mitte, was wir uns auf der Weiterfahrt zu unserem naechsten Halt Lucre teilen, ist jedoch noch warm.

In Huarcaypay und Lucre bestaunen wir die gleichnamige Lagune Huarcaypay-Lucre, ein grosses, jedoch durch Wasserumleitungen immer kleiner werdendes Feuchtgebiet, was Rueckzugsgebiet und Lebensraum fuer unzaehlige Wasservoegel bietet. Es tut gut, einmal durchzuatmen, die Stille zu geniessen und die Natur auf sich wirken zu lassen.

Im naheliegenden Ort finden wir uns nach einer Quechua-Konversation von Flavio mit einer Señora aus dem Dorf bei Fresilla (Chicha aus Erdbeeren mit sehr wenig Alkohol) und Chicha auf dem mit Choclo (Mais) bedeckten Innenhof einer Chichería wieder. Doch den besten Chicha im Ort soll es einige Haeuser weiter geben. Als wir dort ankommen gibt es zwar keinen Chicha mehr, trotzdem werden wir von der alten Dame auf ihren Innenhof eingeladen. Eins ihrer Schweine hat einige Tage zuvor acht gesunde Ferkel geworfen. Dieser Anblick entschaedigt das Gefuehl den besten Chicha von Lucre verpasst zu haben.
Unser Rueckweg nach Cusco fuehrt uns wieder an Tipón vorbei, wo wir halten, um Mittag zu essen: Meerschweinchen. Fuer jeden gibt es eine Haelfte gemeinsam mit gefuellter Paprika und Kartoffeln. Nach einem Jahr des Vegetarierseins ist mein Magen der einzige Gruppe, der das Meerschweinchen am naechsten Tag wieder zum Leben erwecken laesst: Bauchkraempfe lassen mich den Tag im Bett verbringen.

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