Osterwoche in Cusco, Semana Santa

Nach über einer Woche Funkstille, gibt es wieder Neues aus Cusco. Seit letzten Sonntag (24 März) hat die feierintensive, berüchtigte Semana Santa begonnen, kurz also Ostern. Hier jedoch wird es so ganz anders gefeiert, als wir es aus Deutschland gewohnt sind. Wer hier buntgefärbte Eier, Schoko-Hasen, Osterlamm und –hase suchen will, wird wohl erstmal sehr lange zu suchen und anschliessend ohne Erfolg nach Hause gehen. Peru, Cusco feiert ganz anders:

Wie wir ja alle wissen, müssen Peruaner nicht lange nach einem Feiergrund suchen, sie sind richtige Feierkönige! Über eine Woche lang wird in der Karwoche die Passion Christi, sein Begräbnis und die Auferstehung mit stundenlangen Prozessionen, Messen, Gesängen zelebriert. Dazu gibt es allerlei Leckereien, wie süsse Empanadas, die an Mürbteigkekse erinnern, süsse oder salzige Tamales (Maisteiggerichte), Tocto (frittierte Schweinehaut) oder Popcorn. Dazu wird noch ausreichend magisches und mysthisches Ambiente durch endlose Feuerwerke und Weihrauchgerüche gezaubert.

Am Ostermontag, 25. März, fand in Cusco wohl eine der gewaltigsten und beeindruckensten Prozessionen der Karwoche statt: El Señor de los Temblores (Herr des Schauderns) – in Quechua Taitacha. An diesem Tag kann man beispielhaft die Fusion von andinen Religionen mit dem Christentum hautnah beobachten und erleben.

Schon am frühen Nachmittag wurde die komplette Innenstadt, El Centro Histórico, abgesperrt und durch massige Polizeiwachen beschützt. Das etwas im Busch ist, merkt man spätestens daran, dass Taxipreise auf einmal rund auf das Doppelte gestiegen sind und Menschenmassen aufgeregt Hin und Her durch die Strassen strömen. An jedem Balkon der zahlreichen Cafés und Restaurants in Richtung Plaza de Armas, die mit der Catedral das Hauptziel der Prozessionen ist, sind entweder Peruflaggen gehisst oder bunte Dekorationen, wie glänzende Samtstoffe oder mit Goldborten verzierte Wandteppiche, angebracht.

Die meisten Berufstätigen bekommen den ganzen Nachmittag frei, um an der riesigen Prozession teilnehmen zu können. Ab 18 Uhr, so wurde es zumindest angedacht, fängt langsam die Prozession an. Jedoch leben wir in Peru und selbst an solchen Feiertagen herrscht trotzdem noch die Gemütlichkeit. So war es erst 2 Stunden später soweit, dass die Plaza de Armas wohl eher einer “Plaza de Aglomeración de Gente” glich und feierliche Musik und gelegentliche Glockenschläge die Prozession einleitenden. Ganz langsam bewegte sich die riesengrosse, hoch erhabene Jesusstatue, die von der Brüderschaft getragen wurde, von der Iglesia de la Merced in die Richtung der Plaza de Armas. Auf dem Weg wurde immer wieder Stopps gemacht, um die Statuenträger abzuwechseln. In Sichtnähe war ich doch sehr beeindruckt von der Grösse der Statue, aber eigentlich noch mehr von der üppigen Dekoration: An den Armen hingen links und rechts breite rote Stofftücher herab, an denen Lichterketten angebracht waren, zu den Füssen der Jesus Statue lagen zahlreiche Blumengestecke und der ganze Körper war mit einem prachtvollen goldenen Gewand verziert. Ganz gemählich ging die Prozession forwärts Richtung Calle Triunfo, an der Ecke zur Catedral die Treppenstufen hinauf und schliesslich kam es vor dem Eingang der Catedral zu einem triumphalen Höhepunkt: Mit ohrenbetäubenden Feuerwehr-, Polizeisirenen und Nebelrauch wurde die Jesusstatue feierlich noch ein paar mal vor und zurück bewegt, um dem Ganzen noch eine mystische Extranote zu verleihen. Dabei standen die ganzen Menschenmassen wie erstarrt still und fixierten, während sie sich hastig mehrmals bekreuzigten, sehr konzentriert die Jesustatue an. Anschliessend wurde die Statue rückwärts in die Schutzmauer der Catedral getragen und die Menschenmassen strömten in alle Himmelsrichtungen. Letztendlich war es sehr interessant und auch faszinierend zu beobachten, in welcher Euphorie das Erscheinen der Jesusstatue zelebriert wurde.

Aber was hat diese ganze Prozession und Euphorie eigentlich für einen Hintergrund?

Ende März 1650 gab es ein gewaltiges und folgenreiches Erdbeben in Cusco. Unzählige Häuser und Tempel wurden komplett zerstört. In der grenzenlosen Verzweiflung wurde die in Vergessenheit geratene Christo Negro (“schwarze Christusfigur”), die bislang immer versteckt am Altar stand, herausgeholt und auf die Plaza de Armas getragen. Wie durch Magie, geschah ein Wunder und die Erde hörte auf zu beben. Seither wird jeden Ostermontag die Prozession des “El Señor de los Temblores” abgehalten und an das Erdbeben gedacht. Gleichzeitig erfuhr der “Christo Negro” ein Bedeutungswandel: Aus der ignorierten Statue beim Altar wurde der verheiligte “El Señor de los Temblores” – der Schutzgott der Erdbeben, des Schauderns. Die folgende Karwoche wird mit unzähligen Prozessionen, Menschenaufläufen, Feier- und Köstlichkeiten zelebriert. Die ganze Woche lang bleiben Fenster und Wände der Häuser festlich geschmückt. Am Gründonnerstag, morgen den 28. März, findet eine ganz besondere Tradition statt: Anders als die traditionelle Enthaltsamkeit in Deutschland, werden hier in Cusco im Zeichen des letzten Abendmahls 12 verschiedene, typische vegetarische Gerichte verkostet. Die Vielfalt reicht über diverse Gemüsesuppen, Hauptgerichte bis hin zu verlockend leckeren Desserts. Am Karfreitag, im Gedächtnis des Leidens und Sterbens Jesu, herrscht letztendlich ein wenig Enthaltsamkeit, so werden an diesem Tag nur die Überreste des Vortages gegessen. Am Ostersonntag endet schliesslich die Karwoche mit verschiedenen Messen in diversen Kirchen und den vorerst letzten triumphalen Prozessionen.

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