Ostern – nach Weihnachten und dem kalten Winter das Fest der Zuversicht und Lebensfreude. Eltern freuen sich über wohlverdiente Feiertage, Kinder über das Eiermalen und -suchen. Die ganze Familie freut sich über Schokoladeneier und Osterhasen. Diese Bräuche sind in Deutschland und vielen westlichen Ländern mit dem christlichen Osterfest verankert; doch so ein Osterhase ist in Cusco nirgends zu finden. Im überwiegend katholischen Peru prägen andinische Sitten das Fest um Jesus Auferstehung.
Die Heilige Woche, Semana Santa, beginnt am Palmsonntag. Am darauffolgenden Ostersonntag ist es still in der Stadt, der Tag von Jesus Auferstehung scheint in Cusco nicht der Höhepunkt zu sein und ein „frohe Ostern“ ist eher selten zu hören. Nein, es ist der Montag nach Palmsonntag, der am meisten für Aufsehen sorgt und Bürger und Touristen massenweise in der Altstadt vereint. Am frühen Nachmittag verlässt Cuscos Schutzpatron, der Herr der Erdbeben, Señor de los Temblores, die Kathedrale. Es ist eine schwarze Christusfigur, gekreuzigt und beschmückt mit tiefroten Blüten von der Andenblume Ñucchu. In einer gut 5-stündigen Prozession wird dieser angebetete Christus durch die Straßen und Gassen der cusquenischen Inka-Altstadt getragen. Bei seiner Rückkehr in die Kathedrale wartet eine eng aneinader ausharrende Menschenschar auf den Segen ihres Schutzpatron. Dreimal beugt er sich in alle Himmelsrichtungen den Anwesenden zu, bevor er wieder seinen Platz in der Kathedrale einnimmt.
Zwischen Gründonnerstag und Karfreitag wird, ganz nach peruanischer Art, reichlich gegessen. Das ist kaum überraschend, schließlich gehört das gemeinsame Essen -oft in übermäßigen Größenordnungen- zu ziemlich jedem peruanischen Fest dazu. Sehr traditionell werden am Karfreitag stolze zwölf Gänge zubereitet und in fröhlichen Familienrunden verspeist. Dieser Brauch erinnert an das letzte Abendmahl und die zwölf Aposteln. Die Köstlichkeiten bestehen aus verschiedenen Suppen, Fischgerichten und süßen Nachtischen. Auf den Plätzen von San Francisco und San Pedro gibt es viele solcher Marktstände und Tischrunden, aber Fleisch ist unter den zwölf Gängen nicht zu finden.
In Peru sind Gründonnerstag und Karfreitag Feiertage, an denen die Cusqueños gern die sieben Tempel ihrer Stadt besuchen: die Kathedrale, La Compania, La Merced, San Francisco, San Pedro, Santa Catalina, Santa Teresa, San Cristobal, Santa Ana, und San Blas. Am Karfreitag ist Hampi Rantikuy angesagt. Zu diesem Heilpflanzenmarkt -so lautet tatsächlich die Übersetzung aus dem Quechua- kommen zahlreiche Campesinos aus entlegenen Dorfgemeinden, und bringen eine Vielfalt von regionalen Heilpflanzen mit. Dem Glauben nach erhalten diese Pflanzen, Kräuter und Wurzeln besonders am Karfreitag starke Heilfähigkeiten. Wer gerade ein bisschen Spanisch in der Sprachschule gelernt hat, darf sich von dem Spanisch-Quechua improvisierten Sprachenmix unter der feilschenden Marktbevölkerung am Plaza San Pedro nicht abschrecken lassen. Unsere Augen verstehen oft mehr als die Ohren. Kleine Kreuze aus Chonta, eine Art Palmenholz, aber auch kleine, kreuzförmig stachelige Kakteen, die als Schutz vor dem Bösen an die Haustür gehängt werden, werden überall auf dem Hampi Rantikuy angeboten.
Von Karfreitag bis Ostersonntag lassen peruanische Fernsehsender ausnahmslos alte religiöse Hollywoodfilme laufen. Ben Hur, -der epische, dreieinhalb Stunden dauernde Osterfilm aus den Fünfzigern- ist hier der Osterklassiker schlichtweg. Auch mal eine interessante Übung zum Spanisch lernen.
Das Zusammentreffen von katholischen und typisch andinen Festivitäten und Mythen ist in Cusco während der Karwoche besonders spürbar, und alle haben ihre Freude sowohl an den Prozessionen und der Kreuzweg-Inszenierung nach Sacsayhuaman wie auch dem Treiben auf den Plätzen und Märkten. Für viele Besucher ist das cusquenische Osterfest ein einzigartiger Cocktail aus religiösen, kulturellen Substanzen.
Felix H.