Ausangate – Eine Wanderung zum und um den Apu

Lebt man in Cusco, ist man sich der Praesenz der Berggottheit – des Apus – Ausangate bewusst. Immer wenn der Himmel blau und wolkenlos ist, erscheint der schneebedeckte Berg ploetzlich in seiner ganzen Pracht im Suedosten der Stadt ueber den in der Trockenzeit braun-beigen Bergen, die Cusco umgeben. Mit 6.384 Metern gehoert er zu den vier hoechsten Bergen Perus.

Schon laenger stand ein Trek beim Ausangate auf meiner „Das will ich in Peru machen“-Liste. Die hohen Preise der Agenturen schreckten mich jedoch ab. Zu meinem Glueck fragte mich vor einigen Wochen eine Freundin, ob ich Lust haette, auf eine selbstorganisierte Wanderung dorthin mitzukommen. So begann am vergangenen Freitag unser wunderbares, unvergessliches Abenteuer zwischen Gletschern, blauen Lagunen, Regenbogenbergen, Alpakaherden, blauen Himmel und Bergdoerfern. Eisige Naechte, steile Anstiege, Erschoepfung, atemberaubende Aussichten und Gluecksmomente waren unsere bestaendigen Reisebegleiter.

 

Um kurz vor vier in der Nacht steht unsere 7-koepfige Reisegruppe, bestehend aus 3 Schweizerinnen, 2 Deutschen und 2 Peruanerinnen, im Zentrum von Cusco – umgeben von mit Essen, Toepfen, Schlafsaecken, Gaskochern und Zelten gefuellten Reissaecken, die von unserem Guide in einen Van geladen werden. Es ist Tag 1 unseres Treks im Ausangate-Gebiet. Er beginnt mit ca. drei Stunden Schlaf im Van, der uns zu unserem ersten Camp bringt: Das kleine, einfache Bergdorf Quesiuno mit nicht mehr als 15 Haeusern und vielleicht 200 Alpakas. Aufgrund der Kaelte in der Hoehe – erklaert uns unser Guide Santos, der in diesem Dorf zuhause ist – werden wir unsere Zelte hier aufschlagen und nicht wie geplant weiter oben. Das Dorf ist der Ausgangspunkt zu Vinicunca, auch bekannt als Rainbow-Mountain oder Montaña de siete colores. Viele Touristen stroemen an uns vorbei, als wir uns gemuetlich zum Fruehstueck niederlassen und die Sonne, die gerade das Tal erreicht hat, geniessen. Dann geht es aber auch fuer uns los. Eine mehr oder weniger entspannte vierstuendige Wanderung bringt uns an Bergfluessen und zwischen immer bunter werdenden Bergen zu unserem Tagesziel, dem Vinicunca. Erst seit einem guten Jahr hat es sein Foto in die Tueren und Schaufenster fast aller Tourismus-Agenturen in Cusco geschafft. Davor war er ein Geheimtipp. Nun wandern taeglich ein dutzend Reisegruppen hinauf um sich von seiner Farbenpracht zu ueberzeugen. Ich glaube, ein Foto auf Facebook hat ihm zu seiner Beliebtheit verholfen. Nunja wir sind nun Teil dieses Tourismus. Da wir aber nicht am gleichen Tag zurueck nach Cusco muessen, sondern im Ausgangsdorf uebernachten, haben wir Zeit. Als wir ankommen, befindet sich gerade die letzte Reisegruppe im Aufbruch. Nun haben wir die Aussicht und den bunten Berg fuer uns! Am Aussichtspunkt laesst uns der eisige Wind unsere Jacken bis zum Anschlag zuziehen und die Handschuhe auspacken. Gegenueber von Vinicunca bestaunen wir den weissen Gipfel des Ausangate, auf den anderen Seiten unendlich weite Taeler in einzigartigen Berglandschaften, die es immer wieder schaffen, dass wir unseren Blick von diesem ungewoehnlichen, buntgestreiften Huegel abwenden.


Zurueck im Dorf in Santos‘ kleinem Haeuschen bereiten wir im Taschenlampenlicht unser Abendessen am Gaskocher zu: Tuetensuppe und Spaghetti mit selbstgemachten Pesto. Noch nie hat es uns besser geschmeckt! Es ist bereits eisig kalt. Die Alpakas vor dem Haus kuscheln sich jeweils zu zweit dicht zusammen. Wir ziehen alles an, was wir mithaben und legen uns zeitig in unsere Schlafsaecke. Wie die Alpakas draussen legen wir uns dicht zusammen und wachen dennoch am fruehen Morgen von den Minusgraden auf.

Tag 2 wird der anstrengendste und im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubendste Tag unserer Wanderung, denn es geht hinauf auf ueber 5000 Meter. Angekuendigt werden uns jedoch von Santos 5 Stunden Laufen und „una subidita no más“ (nicht mehr als ein kleiner Anstieg). So gehen wir motiviert nach Fruehstueck, Abwasch und Zeltabbau los. Huegel und Bergtaeler entwickeln sich immer mehr in steilere Anstiege, bis es irgendwann nur noch bergauf geht. Blickt man zurueck sieht man gruen-rote Berghaenge. Das Dorf aus dem wir gestartet sind, ist schon lange nicht mehr zu erkennen. Unsere Beine sind erschoepft unsere Lungen arbeiten immer mehr, um aus der duennen Luft genuegend Sauerstoff zu ziehen. 5 Stunden sind schon fast herum und als wir nun Santos fragen, wie lange es noch dauert, redet er von weiteren 3-4 Stunden. Das ist jedoch fast vergessen als wir endlich den Bergpass erreichen und der Blick auf den Apu Ausangate frei wird. Blaue Bergseen, gespeist aus Gletscherwasser, befinden sich in seinen Haengen. Ein mutet fast unwirklich an, den sonst so weit entfernten Ausangate aus direkter Naehe zu sehen. Da wir schon spaet dran sind, muessen wir jedoch bald weiter und auch die folgende Landschaft laesst uns manchmal mit offenen Muendern darstehen. Als wir an unserem Camp in Upis ankommen ist es schon dunkel. Erschoepft bauen wir unsere Zelte auf, kochen, fuellen unsere Waermflaschen mit heissem Wasser und verkriechen uns in unsere Schlafsaecke.

Der dritte Tag bringt uns von Upis nach Pacchanta, einem kleinen Bergdorf mit Sicht auf den Ausangate. Ueber mit kleinen Steinmauerchen abgegrenzte Alpakaweiden fuehrt uns unser Guide bis zu einer blauen Lagune auf der anderen Seite des Ausangate, wo wir gemuetlich picknicken und dann weiter zum Dorf laufen. Da wir wissen, was uns erwartet, wollen wir unbedingt noch tagsueber ankommen. Pacchanta hat mitten am Dorfplatz Thermalquellen. Und nichts ersehnen unsere Fuesse, Beine und Schultern mehr als heisses Wasser. Zu unserer Freude kommen wir wie erhofft rechtzeitig an und koennen ohne Zeitdruck in den Baedern mit Blick auf den grossen schneebedeckten Berg entspannen.

Am letzten Tag packen wir routiniert – mit der Zeit sind wir immer schneller und organisierter in unserem Morgenablauf geworden – unsere Zelte ein. Horseman Abel und Santos beladen die Pferde und das erste Mal geht es wirklich nicht mehr bergauf, sondern hinab ins Tal. Da unsere Reisebegleiter noch am gleichen Tag zurueck in ihr Dorf wollen, muessen wir schon mittags in Tinke, einem Dorf mit einer Strasse, die zurueck nach Cusco fuehrt, sein. Etwas traurig, aber vor allem gluecklich ueber diese wunderbaren Tagen und in Vorfreude auf unsere Duschen und Betten in Cusco, blicken wir ein letztes Mal auf Ausangate. In Tinke steigen wir in einen Bus, in dem wir doesend, Fotos anguckend und lachend bis in unsere Lieblingsstadt gebracht werden. Nach 4 Tagen Stille, Natur, wenigen Touristen und anderen Menschen freuen wir uns doch fast schon wieder auf den Trubel, den Cusco in diesen Tagen bietet. Und das schoene ist: Auch von dort wird Ausangate weiter ueber uns wachen.

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